Berlin hat Besseres verdient

Offener Brief von General­musik­direktor James Gaffigan

„Nothing’s going to harm you, not while I’m around...” – heißt es im wunderschönen Song des amerikanischen Komponisten Stephen Sondheim. Dieses Stück bietet einen Moment der Ruhe inmitten all des Blutes und des schwarzen Humors im Musical „Sweeney Todd“, das wir gerade an der Komischen Oper spielen. Text und Musik vermitteln einen friedlichen Schein, einen Schleier der Naivität und – am allerwichtigsten – ein Gefühl der Sicherheit.

Die Kultur in Berlin hielt ich lange für sicher und geschützt. Aus meiner Sicht ist die Kultur sogar das, was diese Stadt ausmacht. Welche andere Stadt bewahrt ihre Geschichte so gut, selbst die schwierigen Aspekte, und schaut trotzdem immer nach vorn? Wenn man die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche anschaut, sieht man nicht nur die dunkle Vergangenheit, man sieht auch, wo das Licht hereinfällt. Diese Gegensätzlichkeit – Dunkelheit und Licht, Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Innovation – ist das Markenzeichen dieser Stadt. Berlin wurde immer und immer wiedergeboren und ist bis heute ein Sehnsuchtsort für die Menschen.

Als amerikanischer Dirigent aus New York City glaubte ich, Berlin sei das Paradebeispiel dafür, wie Kunst und Kultur in einer urbanen Metropole sein sollte – zugänglich für alle und immer auf höchstem Niveau. Das ist nicht nur der Grund, weshalb ich den Posten des Generalmusikdirektors an der Komischen Oper übernommen habe, sondern auch der Grund für viele professionelle Künstler und Liebhaberinnen der Künste, nach Berlin zu ziehen.
Sowohl private als auch öffentliche Finanzierung hat ihre Vor- und Nachteile. Doch die öffentliche Förderung bestätigt den Stellenwert der Kunst und Kultur in der Gesellschaft. Künstler erschaffen Neues, unterhalten, bilden, und geben so vielen Leben einen Sinn. Kulturinstitutionen schaffen Arbeitsplätze: natürlich für Musiker, Tänzer, Schauspieler, aber auch für Handwerk und Design. Kultur ist nicht nur Kunst, Kultur ist ein eigener Wirtschaftszweig für sich.
Porträt James Gaffigan
James Gaffigan, Generalmusikdirekter der Komischen Oper Berlin

„Die Künstler sind die Wächter der Wahrheit. Wir sind die radikale Stimme der Zivilisation.“, sagte der große amerikanische Performer und Aktivist Paul Robeson. In diesen angespannten Zeiten von Künstlicher Intelligenz, Desinformation und einer Einsamkeitsepidemie ist Theater das heilende Gegenmittel. Als Kollektiv
zusammenkommen und die transformative Kraft der Kunst gemeinsam erleben – das ist unersetzlich. Das verändert uns, und zwar zum Besseren.

Als Kind, das in der Mittelschicht in New York City aufwuchs, hatte ich keinen einfachen Zugang zur Kultur der Stadt. Ich ging auf eine öffentliche Schule und wohnte zwei Stunden entfernt vom Lincoln Center, wo die Metropolitan Opera und die New Yorker Philharmoniker beheimatet sind. Aber Dank Outreach-Programmen und Stipendien kam ich in Kontakt zu Musik und Kultur - und das veränderte mein Leben! Ohne diesen Zugang wäre ich jetzt nicht im Ausland tätig, geschweige denn Generalmusikdirektor eines so prestigeträchtigen Opernhauses.

Auch meine Tochter sagt, dass die Chorproben ihr Safe Space sind, ihr Rückzugsort von den Problemen, die man als Dreizehnjährige hat. Was für ein Glück! Frühkindliche kulturelle Bildung und Kulturzugang fördern Empathie, Zusammenarbeit und ein breites Weltbild. Welche Stadt wünscht sich diese Werte nicht für ihre Bürger und Bürgerinnen?

Zwar sind die Kassen in Berlin knapp und es muss gespart werden, aber genauso brauchen die Bürger und Bürgerinnen auch Lebensqualität.

Lassen Sie nicht zu, dass die Kultur durch diese selbst auferlegte Sparsamkeit in Mitleidenschaft gezogen wird. Lassen Sie nicht zu, dass die Seele Berlins kurzsichtigen finanzpolitischen Maßnahmen zum Opfer fällt.

Berlin hat Besseres verdient. Die Berliner und Berlinerinnen haben Besseres verdient. Die Welt hat Besseres verdient.
Januar 2025
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
Mi
1.
Jan
18:00
Sinfoniekonzert
Schillertheater – Großer Saal
Februar 2025
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
Sa
8.
Feb
16:00
Schall&Rausch
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Mit James Gaffigan, Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
So
9.
Feb
16:00
Schall&Rausch
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Mit James Gaffigan, Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin
März 2025
April 2025
Mai 2025

Mehr dazu

18. November 2024
Musikalisch eine reine Freude. Der von David Cavelius einstudierte Chor ist in dieser Stadt als Opernchor zurzeit ohne Konkurrenz, gesanglich erweist er sich als ebenso überlegen wie in gestalterischer Schärfe und Spielfreude. Und James Gaffigan am Pult des Orchesters der Komischen Oper gelingt eine pointierte und farblich enorm reiche Interpretation, die in keinem Moment den Faden verliert. Man spürt den Spaß, den die Arbeit an einer so reizvoll zwischen kompositorischem Anspruch und Popularität oszillierenden Partitur machen muss. Die melodischen Reize ... gelingen so präsent, wie die hintergründige leitmotivische Struktur stets spürbar bleibt.
Peter Uehling, Berliner Zeitung
Die Komische Oper bringt »Sweeney Todd« und die beste Pastete von London auf die Bühne
#KOBSweeneyTodd
28. April 2024
»Beeindruckend, wie nachhaltig Kirill Serebrennikow die Tiefendimension und die politische Stoßkraft der Macht- und Besitzverhältnisse in Mozarts »Le nozze di Figaro«, die Winkelzüge der Gefühle und des Gelächters, reflektiert und darstellen lässt ... Und wie enthusiastisch ihm das Ensemble der Komischen Oper durch das Comedia-Abenteuer all der Krümmungen und Windungen in Mozarts »Tollem Tag« folgt. Ungeteilt die Zustimmung im Berliner Schillertheater.«

»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung
#KOBFigaro
28. April 2024
»Dieses entfesselte Theater funktioniert als Ganzes vor allem, weil Tommaso Barea ein in jeder Hinsicht dunkel attraktiver Figaro ist und Hubert Zapiór sein smart arroganter Gegenspieler als Graf Almaviva. Dass Susanna die Frau ist, die hier eigentlich den größten Durchblick hat, wird von der beherzt frischen Penny Sofroniadou durchweg und darstellerisch beglaubigt. Nadja Mchantaf ist als Contessa längst desillusioniert, was die Dauerhaftigkeit von Liebesglück betrifft. Sie klingt auch melancholisch sanft. ... Am Pult des Orchesters der Komischen Oper sorgt James Gaffigan durchweg für die zupackende Dramatik, die diese szenische Deutung herausfordert, setzt ihr aber auch musikalisches Innehalten entgegen und sichert den Sängern Raum zur Entfaltung.«

»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Joachim Lange, NMZ
#KOBFigaro
15. April 2024
»James Gaffigan hat Großes vor an der Komischen Oper Berlin, deren Generalmusikdirektor er seit dieser Saison ist: Der 44-jährige Amerikaner möchte die Musik ins Rampenlicht rücken, wo stets die Regie im Mittelpunkt stand: »Das Orchester ist ein Diamant«, schwärmt er, »den will ich zum Funkeln bringen.« Das Publikum soll spüren, was für großartige Instrumentalistinnen und Instrumentalisten hier spielen. Ein allzu ehrgeiziges Ziel? Als Amerikaner kennt Gaffigan keine Probleme. Nur Herausforderungen.«

Der Tagesspiegel hat James Gaffigan nicht nur mit dieser Begründung zu einem der 100 wichtigsten Köpfe der Berliner Kultur ausgezeichnet – wir gratulieren!

Foto © Jan Windszus Photography
Generalmusikdirektor
29. Januar 2024
Barrie Kosky nimmt uns mit in eine düster-romantische Bühnenwelt. Ein Szenario wie von Caspar David Friedrich gemalt. ... Dmitry Ulyanov verkörpert diesen König Dodon in feinster Falstaffmanier als bra­mar­ba­sie­rend-donnernder Bass. Die matarihafte Verführerin singt Kseniia Proshina mit schillernd-umgarnendem Sopran, eiskalte Spitzen setzend, in orientalisch-verschlungenen Läufen in der überhaupt klangfarbenreichen Musik Rimsky-Korsakows. ... Die entfaltet das Orchester der Komischen Oper unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors James Gaffigan einfühlsam: von zart-romantisch bis zur überdrehten Farce.
Dystopisches Märchen: »Der Goldene Hahn« an der Komischen Oper, Barbara Wiegand, rbb Inforadio
#KOBGoldenerHahn
29. Januar 2024
Das war ein runder, voller Erfolg! Die Komische Oper hat gepunktet. Und zwar mit einem Werk, das ja wirklich ans Haus passt. ... Es ist keine platte Aktualisierung, es ist für Kosky ein Märchen und es geht um die Magie der Bilder. Und alles, was man für heute daraus ableiten könnte, überlässt Kosky der Intelligenz des Publikums. ... James Gaffigan hat diese vielschichtige Partitur wirklich ausgeleuchtet bis in die hintersten Winkel. ... Ein kurzweiliges Vergnügen, der Chor - das Rückgrat des Hauses - mal wieder grandios. ... Wer da hingeht, macht nichts falsch!
Premiere an der Komischen Oper »Der goldene Hahn«, Andreas Göbel, rbbKultur
#KOBGoldenerHahn