© Jaro Suffner
Einfach schöne Musik
Ein Gespräch mit Herbert Fritsch über die Leichtigkeit Neuer Musik, die Schönheit chaotischer Rhythmen und mitreißende Spielfreude
Herr Fritsch, Sie waren als Schauspieler zu sehen, haben selbst Regie an Theater- und Opernhäusern geführt. Jetzt kuratieren Sie ein Sinfoniekonzert an der Komischen Oper Berlin mit dem einfachen Titel Herbert Fritsch macht ein Konzert. Was hat Sie bei der Suche nach passenden Werken angetrieben?
Herbert Fritsch:Ich bin kein ausgewiesener Musiker, ich spiele kein Instrument. Aber ich liebe Musik, sie ist immer wieder maßgebend für meine Arbeit. Und einige Stücke begeistern mich besonders. Für das Sinfoniekonzert habe ich Werke ausgewählt, zu denen ich einen sehr persönlichen Bezug habe und mit denen ich als Schauspieler oder Regisseur gearbeitet habe. Es ging mir dabei nicht hauptsächlich um das Hören als Genuss. Ich kann Musik nicht ohne Theater denken, mich interessieren die Assoziationen, die Gesichtsausdrücke und die theatralischen Gesten, die Bilder, die sich beim Hören im Kopf ergeben. Ich glaube, das Optische gehört zur Musik und zum Konzert dazu. Wenn ich bei einem Konzert nur ein Orchester sehe, das perfekt spielt, technisch hochversiert ist, dann erzählt es mir nicht so viel und mir fehlt etwas.
Herbert Fritsch:Ich bin kein ausgewiesener Musiker, ich spiele kein Instrument. Aber ich liebe Musik, sie ist immer wieder maßgebend für meine Arbeit. Und einige Stücke begeistern mich besonders. Für das Sinfoniekonzert habe ich Werke ausgewählt, zu denen ich einen sehr persönlichen Bezug habe und mit denen ich als Schauspieler oder Regisseur gearbeitet habe. Es ging mir dabei nicht hauptsächlich um das Hören als Genuss. Ich kann Musik nicht ohne Theater denken, mich interessieren die Assoziationen, die Gesichtsausdrücke und die theatralischen Gesten, die Bilder, die sich beim Hören im Kopf ergeben. Ich glaube, das Optische gehört zur Musik und zum Konzert dazu. Wenn ich bei einem Konzert nur ein Orchester sehe, das perfekt spielt, technisch hochversiert ist, dann erzählt es mir nicht so viel und mir fehlt etwas.
Herber Fritsch macht ein Konzert
Werkinfo
CARL MARIA VON WEBER [1786–1826]
Ouvertüre aus Der Freischütz
IANNIS XENAKIS [1922–2001]
À l’île de Gorée für verstärktes Cembalo und 12 Musiker
GYÖRGY LIGETI [1923–2006]
Poème Symphonique für 100 Metronome
ALEXANDER SCRIABIN [1872–1915]
Prométhée ou Le Poème du feu op. 60
Das Konzert beginnt mit der Ouvertüre aus der Oper Der Freischütz von Carl Maria von Weber, wobei das Werk bis heute als die »deutsche Oper« schlechthin gilt. Welche Bilder verbinden Sie mit dem Stück?
Herbert Fritsch: Webers Der Freischütz habe ich 2016 am Opernhaus Zürich inszeniert. Im Mittelpunkt steht ein Jäger, der immer als guter Schütze galt und von einem auf den anderen Tag nicht mehr trifft. Es geht dabei um Vertrauen, Ohnmacht und die Angst, an Erfolglosigkeit zu zerbrechen. Es geht um Fragen wie: Was heißt es, ein Mann zu sein, was ist Stärke? Das klingt nach großen Themen. Ich verbinde damit eher sportliche Probleme, wie sie Hobbysportler:innen haben. Ich spiele zwar kein Golf, aber ich habe das schon öfter gehört: Eine große Angst und Enttäuschung für Golfspieler:innen ist es, ihren Swing zu verlieren, nicht mehr so erfolgreich spielen zu können. Die Geschichte des Freischütz ist für mich die einer Impotenz, die Geschichte als eine sexuelle Metapher, die ich im Konzert mit Filmausschnitten meiner Zürcher Inszenierung zusammenbringe.
Auf Carl Maria von Weber folgt ein Stück von Iannis Xenakis. Bevor er seinen eigenen Musikstil – die stochastische Musik – entwickelt hat, war er Architekt und Assistent im Atelier
Le Corbusier und widmete sich mit dem Blick mathematischer Modelle autodidaktisch der Komposition Neuer Musik. War Ihr Weg zu Xenakis auch so ungewöhnlich?
Herbert Fritsch: Ungewöhnlich vielleicht nicht, aber beeindruckend. Ich habe vor einigen Jahren ein Konzert mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und der Cellistin Sol Gabetta erlebt. Das war in einem kleinen Schweizer Dorf in einer Kirche. Was das Konzert so erstaunlich gemacht hat, war die Leichtigkeit und die Freude, mit der diese als schwierig wahrgenommene Komposition gespielt wurde. Die beiden Musikerinnen sind an das Werk mit einer großen Offenheit und Spielfreude herangegangen, die das Publikum mitgerissen hat. Sie haben gezeigt, dass die Musik von Iannis Xenakis nicht kompliziert ist, dass sie ein einfach zu genießendes Erlebnis ist, man muss sich nur mit ihr auseinandersetzen, sich darauf einlassen. Das war für mich ein Erlebnis, bei dem ich gemerkt habe: Genau so muss ich es auch machen.
Herbert Fritsch: Webers Der Freischütz habe ich 2016 am Opernhaus Zürich inszeniert. Im Mittelpunkt steht ein Jäger, der immer als guter Schütze galt und von einem auf den anderen Tag nicht mehr trifft. Es geht dabei um Vertrauen, Ohnmacht und die Angst, an Erfolglosigkeit zu zerbrechen. Es geht um Fragen wie: Was heißt es, ein Mann zu sein, was ist Stärke? Das klingt nach großen Themen. Ich verbinde damit eher sportliche Probleme, wie sie Hobbysportler:innen haben. Ich spiele zwar kein Golf, aber ich habe das schon öfter gehört: Eine große Angst und Enttäuschung für Golfspieler:innen ist es, ihren Swing zu verlieren, nicht mehr so erfolgreich spielen zu können. Die Geschichte des Freischütz ist für mich die einer Impotenz, die Geschichte als eine sexuelle Metapher, die ich im Konzert mit Filmausschnitten meiner Zürcher Inszenierung zusammenbringe.
Auf Carl Maria von Weber folgt ein Stück von Iannis Xenakis. Bevor er seinen eigenen Musikstil – die stochastische Musik – entwickelt hat, war er Architekt und Assistent im Atelier
Le Corbusier und widmete sich mit dem Blick mathematischer Modelle autodidaktisch der Komposition Neuer Musik. War Ihr Weg zu Xenakis auch so ungewöhnlich?
Herbert Fritsch: Ungewöhnlich vielleicht nicht, aber beeindruckend. Ich habe vor einigen Jahren ein Konzert mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und der Cellistin Sol Gabetta erlebt. Das war in einem kleinen Schweizer Dorf in einer Kirche. Was das Konzert so erstaunlich gemacht hat, war die Leichtigkeit und die Freude, mit der diese als schwierig wahrgenommene Komposition gespielt wurde. Die beiden Musikerinnen sind an das Werk mit einer großen Offenheit und Spielfreude herangegangen, die das Publikum mitgerissen hat. Sie haben gezeigt, dass die Musik von Iannis Xenakis nicht kompliziert ist, dass sie ein einfach zu genießendes Erlebnis ist, man muss sich nur mit ihr auseinandersetzen, sich darauf einlassen. Das war für mich ein Erlebnis, bei dem ich gemerkt habe: Genau so muss ich es auch machen.
© Christian Knörr
In den an Mathematik, Spiel- und Zahlentheorie angelehnten Kompositionen von Xenakis steckt also mehr Leichtigkeit, als allgemein wahrgenommen wird?
Herbert Fritsch: Musikstücke sind anstrengend, wenn sie anstrengend gespielt werden. Neue Musik zum Beispiel wird oft übertrieben intellektualisiert und übertrieben ernst genommen. Ich habe nichts gegen das Ernstnehmen, ich nehme meine Sachen auch ernst, selbst guten Humor muss man ernst nehmen. Aber etwas ernst zu nehmen heißt nicht, dass man dafür nur ernste, angestrengte Gesichter und Gesten machen muss und jedes Lächeln verweigert. Es geht um die Art, sich zu nähern, bereit zu sein, für das, was über einen hinaus geht. Ich habe das gerade erst bei meiner Inszenierung von György Kurtágs Fin de Partie nach Samuel Beckett an der Wiener Staatsoper erlebt. Die Oper kann so gespielt werden, dass jeder merkt: Das ist jetzt Neue Musik. Aber das ist furchtbar. Denn wenn man bereit ist, die Musik von Kurtág oder Xenakis unvoreingenommen aufzunehmen, dann macht das – so ging es mir – eine Riesenfreude, weil sie eben nicht kompliziert ist und man sie genießen kann, ohne über Hintergründe des Werks Bescheid wissen zu müssen.
Sie haben das Konzert nicht nur kuratiert, sondern stehen auch selbst auf der Bühne. Sie moderieren und tragen einen Text von Konrad Bayer vor. Und Sie treten selbst als »Musiker« auf, obwohl Sie kein Instrument spielen. György Ligetis Poème Symphonique, das nur aus Aufführungsanweisungen besteht, spielen Sie selbst ...
Herbert Fritsch: Das habe ich in der Regie von Leander Haußmann schon einmal aufgeführt. Das war 1997 bei den Wiener Festwochen. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich das damals gemacht habe. Aber ich erinnere mich, dass es mir und dem Publikum viel Freude gemacht hat …
… 100 Metronome bringen Sie dafür in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zum Laufen. Wieviel Musik lässt sich mit einem Musikinstrument machen, das keines ist?
Herbert Fritsch: Es wird jedenfalls ein spannendes Unterfangen. Auf alle Fälle ist das Metronom ein Musikinstrument. Alles, was einen Klang machen kann, kann auch ein Musikinstrument sein. Das kann der Tisch sein, auf den ich klopfe, auch ein Bühnenbild mit Türen, die im Takt auf- und zugeschlagen werden. Ligeti denkt Musik in seinem Poème Symphonique vom Rhythmus ausgehend und zeigt, dass Musik auch dort zu suchen und zu finden ist, wo man sie nicht vermutet. Das ist ein sehr kindliches Prinzip: Genuss daran zu finden, auf irgendetwas draufzuschlagen, das einen Klang erzeugt, einen Rhythmus zu kreieren und so einfach Musik zu machen.
Herbert Fritsch: Musikstücke sind anstrengend, wenn sie anstrengend gespielt werden. Neue Musik zum Beispiel wird oft übertrieben intellektualisiert und übertrieben ernst genommen. Ich habe nichts gegen das Ernstnehmen, ich nehme meine Sachen auch ernst, selbst guten Humor muss man ernst nehmen. Aber etwas ernst zu nehmen heißt nicht, dass man dafür nur ernste, angestrengte Gesichter und Gesten machen muss und jedes Lächeln verweigert. Es geht um die Art, sich zu nähern, bereit zu sein, für das, was über einen hinaus geht. Ich habe das gerade erst bei meiner Inszenierung von György Kurtágs Fin de Partie nach Samuel Beckett an der Wiener Staatsoper erlebt. Die Oper kann so gespielt werden, dass jeder merkt: Das ist jetzt Neue Musik. Aber das ist furchtbar. Denn wenn man bereit ist, die Musik von Kurtág oder Xenakis unvoreingenommen aufzunehmen, dann macht das – so ging es mir – eine Riesenfreude, weil sie eben nicht kompliziert ist und man sie genießen kann, ohne über Hintergründe des Werks Bescheid wissen zu müssen.
Sie haben das Konzert nicht nur kuratiert, sondern stehen auch selbst auf der Bühne. Sie moderieren und tragen einen Text von Konrad Bayer vor. Und Sie treten selbst als »Musiker« auf, obwohl Sie kein Instrument spielen. György Ligetis Poème Symphonique, das nur aus Aufführungsanweisungen besteht, spielen Sie selbst ...
Herbert Fritsch: Das habe ich in der Regie von Leander Haußmann schon einmal aufgeführt. Das war 1997 bei den Wiener Festwochen. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich das damals gemacht habe. Aber ich erinnere mich, dass es mir und dem Publikum viel Freude gemacht hat …
… 100 Metronome bringen Sie dafür in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zum Laufen. Wieviel Musik lässt sich mit einem Musikinstrument machen, das keines ist?
Herbert Fritsch: Es wird jedenfalls ein spannendes Unterfangen. Auf alle Fälle ist das Metronom ein Musikinstrument. Alles, was einen Klang machen kann, kann auch ein Musikinstrument sein. Das kann der Tisch sein, auf den ich klopfe, auch ein Bühnenbild mit Türen, die im Takt auf- und zugeschlagen werden. Ligeti denkt Musik in seinem Poème Symphonique vom Rhythmus ausgehend und zeigt, dass Musik auch dort zu suchen und zu finden ist, wo man sie nicht vermutet. Das ist ein sehr kindliches Prinzip: Genuss daran zu finden, auf irgendetwas draufzuschlagen, das einen Klang erzeugt, einen Rhythmus zu kreieren und so einfach Musik zu machen.
© Jan Windszus Photography
Ein Kritiker schrieb damals über die Totenstille am Ende Ihres Auftritts bei den Wiener Festwochen und dass man die Ehrfurcht des Publikums bis zum letzten Taktschlag gespürt habe …
Herbert Fritsch: Das Interessante an Ligetis Metronomkonzert sind die unterschiedlichen Rhythmen, die sich ergeben, weil die Metronome nicht gleichzeitig starten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten spielen. Das kann für Momente sehr chaotisch klingen und sich immer wieder zu etwas Wunderschönem auflösen, obwohl es rein maschinell ist.
Herbert Fritsch macht ein Konzert setzt auf synästhetischeMomente, bis am Ende ein wahrer Synästhetiker gespielt wird. Woher stammt Ihre Begeisterung für Alexander Scriabin?
Herbert Fritsch: Alexander Scriabin fasziniert mich schon lange. Auslöser war ein Konzert der Berliner Philharmoniker. Da habe ich diese Art von Musik das erste Mal gehört. Und danach habe ich ihn zu Hause immer wieder gehört, seine Musik manchmal auch einfach nebenbei laufen lassen. 1997 habe ich am Schauspielhaus Bochum für ein Konzert mit Stücken von Scriabin einen Film produziert, passend für Prométhée ou Le Poème du feu op. 60. Dafür wollte ich eigentlich 24 Stunden als Prometheus still auf einem Tisch liegen. Um mich herum waren Kameras aufgebaut, die nacheinander Einzelbilder gemacht haben. Das Klicken der Kameraverschlüsse war wie das Picken des Adlers, der Stück für Stück die Leber des Prometheus abnagt, und die Ausleuchtung das Brennen der Sonnenstrahlen. 24 Stunden sind es nicht geworden, davon hat mir ein Arzt abgeraten. Aber knapp 15 Stunden konnte ich durchhalten, so dass es am Schluss dann 33.333 Einzelbilder waren. Und das reichte dann für einen Film von 23 Minuten, genau für die Länge von Scriabins Prométhée.
Das klingt nach einer anderen Synästhesie, als sie Alexander Scriabin eigentlich vorsah …
Herbert Fritsch: Das stimmt. Ihm ging es bei Prométhée ou Le Poème du feu um die synästhetische Erfahrung von Musik in Farben, das Werk soll von einer Farbenorgel begleitet werden. Leider gibt es nur eine Art Partitur, aber keine Beschreibung, wie diese Orgel aussehen soll.
Herbert Fritsch macht ein Konzert vereint sehr unterschiedliche Komponisten und mit ihren Werken sehr unterschiedliche Epochen. Nach welchen dramaturgischen Ideen haben Sie die Werke zusammengebracht?
Herbert Fritsch: Eine dramaturgische Logik verfolge ich grundsätzlich nie, auch bei meinen Inszenierungen nicht. Was vorhersehbar ist, kann schnell langweilig werden. Und meine Auswahl durchzieht auch kein historisch geknüpfter Faden. Ich denke nicht so sehr in Zeiträumen, ich glaube nicht daran, dass Musik vergangen oder altmodisch sein kann, da man sich nicht mehr für sie interessieren sollte. Für mich gibt es keine Unterschiede zwischen Barock und Pop, die meinen Genuss beeinflussen. Es sind eher Lebensumstände, die mich leiten. Und da ist es immer interessant, Werke aus anderen Zeiten aufzugreifen und sich daran zu erfreuen. Mich bringt Musik gedanklich immer an einen anderen Ort, ich assoziiere beim Hören sehr theatralisch Gesten und Gesichter, sie durchdringt mich körperlich. Beschreiben kann ich nicht, was da mit mir passiert, aber es lässt mich nicht mehr los. Ganz simpel ausgedrückt: Herbert Fritsch macht ein Konzert ist ein Konzert mit schöner, toller Musik.
Warum ist die Komische Oper Berlin der richtige Ort für dieses Konzert?
Herbert Fritsch: Sie ist ein Ort, wo man sich Sachen trauen kann und in seinen Vorstellungen sehr weit gehen kann. Man trifft dort außergewöhnliche Leute, außergewöhnliche Sänger:innen, außergewöhnliche Musiker:innen und deswegen komme ich gerne an dieses Haus.
Herbert Fritsch: Das Interessante an Ligetis Metronomkonzert sind die unterschiedlichen Rhythmen, die sich ergeben, weil die Metronome nicht gleichzeitig starten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten spielen. Das kann für Momente sehr chaotisch klingen und sich immer wieder zu etwas Wunderschönem auflösen, obwohl es rein maschinell ist.
Herbert Fritsch macht ein Konzert setzt auf synästhetischeMomente, bis am Ende ein wahrer Synästhetiker gespielt wird. Woher stammt Ihre Begeisterung für Alexander Scriabin?
Herbert Fritsch: Alexander Scriabin fasziniert mich schon lange. Auslöser war ein Konzert der Berliner Philharmoniker. Da habe ich diese Art von Musik das erste Mal gehört. Und danach habe ich ihn zu Hause immer wieder gehört, seine Musik manchmal auch einfach nebenbei laufen lassen. 1997 habe ich am Schauspielhaus Bochum für ein Konzert mit Stücken von Scriabin einen Film produziert, passend für Prométhée ou Le Poème du feu op. 60. Dafür wollte ich eigentlich 24 Stunden als Prometheus still auf einem Tisch liegen. Um mich herum waren Kameras aufgebaut, die nacheinander Einzelbilder gemacht haben. Das Klicken der Kameraverschlüsse war wie das Picken des Adlers, der Stück für Stück die Leber des Prometheus abnagt, und die Ausleuchtung das Brennen der Sonnenstrahlen. 24 Stunden sind es nicht geworden, davon hat mir ein Arzt abgeraten. Aber knapp 15 Stunden konnte ich durchhalten, so dass es am Schluss dann 33.333 Einzelbilder waren. Und das reichte dann für einen Film von 23 Minuten, genau für die Länge von Scriabins Prométhée.
Das klingt nach einer anderen Synästhesie, als sie Alexander Scriabin eigentlich vorsah …
Herbert Fritsch: Das stimmt. Ihm ging es bei Prométhée ou Le Poème du feu um die synästhetische Erfahrung von Musik in Farben, das Werk soll von einer Farbenorgel begleitet werden. Leider gibt es nur eine Art Partitur, aber keine Beschreibung, wie diese Orgel aussehen soll.
Herbert Fritsch macht ein Konzert vereint sehr unterschiedliche Komponisten und mit ihren Werken sehr unterschiedliche Epochen. Nach welchen dramaturgischen Ideen haben Sie die Werke zusammengebracht?
Herbert Fritsch: Eine dramaturgische Logik verfolge ich grundsätzlich nie, auch bei meinen Inszenierungen nicht. Was vorhersehbar ist, kann schnell langweilig werden. Und meine Auswahl durchzieht auch kein historisch geknüpfter Faden. Ich denke nicht so sehr in Zeiträumen, ich glaube nicht daran, dass Musik vergangen oder altmodisch sein kann, da man sich nicht mehr für sie interessieren sollte. Für mich gibt es keine Unterschiede zwischen Barock und Pop, die meinen Genuss beeinflussen. Es sind eher Lebensumstände, die mich leiten. Und da ist es immer interessant, Werke aus anderen Zeiten aufzugreifen und sich daran zu erfreuen. Mich bringt Musik gedanklich immer an einen anderen Ort, ich assoziiere beim Hören sehr theatralisch Gesten und Gesichter, sie durchdringt mich körperlich. Beschreiben kann ich nicht, was da mit mir passiert, aber es lässt mich nicht mehr los. Ganz simpel ausgedrückt: Herbert Fritsch macht ein Konzert ist ein Konzert mit schöner, toller Musik.
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