© Iko Freese / drama-berlin.de
Ein Stück wie eine Lokomotive
Ein Mann verliert seine Nase – und die beginnt ein Eigenleben. Sie singt, tanzt und treibt ihren Besitzer in den Wahnsinn. Klingt absurd? Genau das ist Die Nase, Schostakowitschs surreale Oper nach Gogol. Barrie Kosky macht daraus ein explosives Spektakel aus schäbigem Varieté, Stadtchaos und musikalischem Wahnsinn. Hier steppen Nasen mit nackten Beinen, während Schostakowitschs Partitur rast und kracht. Mal furzt, mal schreit, mal jubiliert das Orchester. Kosky erschafft eine groteske Welt, in der Kowaljow seine Nase sucht – und dabei in Paranoia und Identitätskrisen versinkt. Im Interview erzählt er über seine Version dieses wilden Albtraums, der das Publikum mitreißt wie eine Lokomotive auf voller Fahrt.
Ein Mann ohne Nase und eine Nase, die singt – wie geht man als Regisseur damit um?
Barrie Kosky: Wenn man einen Trickfilm macht, ist das natürlich einfach, auf der Bühne hingegen stellt es eine große Herausforderung dar. In manchen Produktionen wird Kowaljows Nase abgedeckt oder geschwärzt, in anderen wird sie mit der Begründung, dass all das, was er erlebt, nur in seiner Fantasie geschehe, einfach so belassen, wie sie ist. Ich halte das für Ausweichmanöver. Es ist überaus wichtig, dass er etwas verliert, das jeder andere besitzt. Wir haben das einfach umgedreht: Bei uns haben alle anderen eine große Nase, eine Kombination aus der Nase von Barbara Streisand und einem antisemitischen Nazi-Cartoon, – nur eben Kowaljow nicht. Mit seiner normal dimensionierten Nase sieht er im Vergleich zu den anderen so aus, als hätte er überhaupt keine Nase.
Schostakowitsch schreibt zwei Szenen, in denen die Nase singt. Aber eine singende Nase wirkt allzu schnell wie ein billiger Slapstick. Daher übernimmt bei uns in der Szene in der Kathedrale ein von Kowaljows seltsamem Verhalten pikierter Herr aus der Trauergemeinde die Reaktionen der Nase. Es passt ja durchaus zu Kowaljow, dass er Stimmen hört und in allem und jedem nur seine Nase sieht. Auch wenn die Oper Die Nase heißt und die Hauptfigur darin ständig nach ihrem verlorenen Körperteil sucht, geht es in diesem Stück ja um weit mehr: Es geht um Verlustangst und Paranoia, um Minderwertigkeitskomplexe und Kastrationsängste. All das wird mit den Mitteln des Surrealen erzählt, und es gibt nichts Lustigeres, als eine Nase mit nackten behaarten Beinen quer über die Bühne rennen zu sehen. Würde diese Riesennase mit Beinen singen, würde man ihr etwas von ihrem enigmatischen Zauber nehmen.
Barrie Kosky: Wenn man einen Trickfilm macht, ist das natürlich einfach, auf der Bühne hingegen stellt es eine große Herausforderung dar. In manchen Produktionen wird Kowaljows Nase abgedeckt oder geschwärzt, in anderen wird sie mit der Begründung, dass all das, was er erlebt, nur in seiner Fantasie geschehe, einfach so belassen, wie sie ist. Ich halte das für Ausweichmanöver. Es ist überaus wichtig, dass er etwas verliert, das jeder andere besitzt. Wir haben das einfach umgedreht: Bei uns haben alle anderen eine große Nase, eine Kombination aus der Nase von Barbara Streisand und einem antisemitischen Nazi-Cartoon, – nur eben Kowaljow nicht. Mit seiner normal dimensionierten Nase sieht er im Vergleich zu den anderen so aus, als hätte er überhaupt keine Nase.
Schostakowitsch schreibt zwei Szenen, in denen die Nase singt. Aber eine singende Nase wirkt allzu schnell wie ein billiger Slapstick. Daher übernimmt bei uns in der Szene in der Kathedrale ein von Kowaljows seltsamem Verhalten pikierter Herr aus der Trauergemeinde die Reaktionen der Nase. Es passt ja durchaus zu Kowaljow, dass er Stimmen hört und in allem und jedem nur seine Nase sieht. Auch wenn die Oper Die Nase heißt und die Hauptfigur darin ständig nach ihrem verlorenen Körperteil sucht, geht es in diesem Stück ja um weit mehr: Es geht um Verlustangst und Paranoia, um Minderwertigkeitskomplexe und Kastrationsängste. All das wird mit den Mitteln des Surrealen erzählt, und es gibt nichts Lustigeres, als eine Nase mit nackten behaarten Beinen quer über die Bühne rennen zu sehen. Würde diese Riesennase mit Beinen singen, würde man ihr etwas von ihrem enigmatischen Zauber nehmen.
Die Nase
Oper in drei Akten nach der gleichnamigen Erzählung von Nikolai W. Gogol [1930]
Libretto von Dmitri D. Schostakowitsch, Jewgeni I. Samjatin, Georgi D. Ionin und Alexander G. Preis
Deutsche Textfassung von Ulrich Lenz
Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden, der Sydney Opera und dem Teatro Real Madrid
Eine stepptanzende Nase mit nackten Beinen hat irgendwie etwas von schäbigem Nachtclub …
Barrie Kosky: Ich habe immer großen Spaß daran, meine Vorliebe für die Revue und verruchtes Varieté mit der großen klassischen Tragödie zu verbinden. Die Vorlage von Gogol und die Partitur von Schostakowitsch schreien förmlich danach, weil viele Tanzrhythmen und Polkas mit der schmuddeligen Schattenseite einer Großstadt wie St. Petersburg kombiniert werden.
Die Stadt ist irgendwie allgegenwärtig in Schostakowitschs Oper …
Barrie Kosky: In der Tat, aber es war uns wichtig, keine wirklichkeitsgetreue Nachbildung einer Stadt auf die Bühne zu stellen. Ich interessiere mich nicht für diese Art von Realismus. Daher wird die Stadt hauptsächlich über die Bewegung der Darsteller und Darstellerinnen evoziert, über die Beleuchtung und über den fortwährenden Wechsel zwischen unterschiedlichen öffentlichen und privaten Räumen. Das ist der Reiz am Theater: Man kann auf einer leeren Bühne mit einhundert Leuten eine Stadt erschaffen. Man braucht dazu keine Häuser mit aufgemalten Straßenschildern, man braucht keine Autos oder Ampeln oder irgendetwas von diesen Dingen. Ich denke, Theater funktioniert am besten, wenn es nicht realistisch ist. Je formaler, ritualisierter und assoziativer es ist, desto aufrichtiger wird es.
Barrie Kosky: Ich habe immer großen Spaß daran, meine Vorliebe für die Revue und verruchtes Varieté mit der großen klassischen Tragödie zu verbinden. Die Vorlage von Gogol und die Partitur von Schostakowitsch schreien förmlich danach, weil viele Tanzrhythmen und Polkas mit der schmuddeligen Schattenseite einer Großstadt wie St. Petersburg kombiniert werden.
Die Stadt ist irgendwie allgegenwärtig in Schostakowitschs Oper …
Barrie Kosky: In der Tat, aber es war uns wichtig, keine wirklichkeitsgetreue Nachbildung einer Stadt auf die Bühne zu stellen. Ich interessiere mich nicht für diese Art von Realismus. Daher wird die Stadt hauptsächlich über die Bewegung der Darsteller und Darstellerinnen evoziert, über die Beleuchtung und über den fortwährenden Wechsel zwischen unterschiedlichen öffentlichen und privaten Räumen. Das ist der Reiz am Theater: Man kann auf einer leeren Bühne mit einhundert Leuten eine Stadt erschaffen. Man braucht dazu keine Häuser mit aufgemalten Straßenschildern, man braucht keine Autos oder Ampeln oder irgendetwas von diesen Dingen. Ich denke, Theater funktioniert am besten, wenn es nicht realistisch ist. Je formaler, ritualisierter und assoziativer es ist, desto aufrichtiger wird es.

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Aber wie differenziert man in dieser Form von Abstraktion zwischen privatem und öffentlichem Raum?
Barrie Kosky: Das Private bleibt im Kleinen, Beschränkten, Begrenzten. Ein Tisch reicht aus, um die enge, kleine Welt dieser Menschen in ihrer Begrenztheit zu zeigen. Auf dem Tisch ein Bett, ein Stuhl – und schon hat man das Gefühl, sich in einem Zimmer zu befinden. Und doch ist drum herum der große Raum der Stadt. Er ist allgegenwärtig, auch wenn er in den intimen Szenen im Dunkeln bleibt. Aber man weiß nie, wer da im Dunkeln ist und die scheinbare Privatheit belauert und belauscht. Albtraumhaft! wie in Alice im Wunderland wächst die kleine, scheinbar vertraute Welt immer wieder ins abnormal Große. An anderen Stellen bricht das Leben der Stadt von außerhalb in das Private herein, ohne sich vorher anzukündigen. Immer wieder scheint die Stadt die kleinen, privaten Räume zu verschlingen.
Wie findet sich das Publikum in dieser Oper mit ihren häufigen Szenenwechseln und großen Massenszenen zurecht?
Barrie Kosky: Die auf- und zufahrbare kreisförmige Linse, die Klaus Grünberg anstelle eines Vorhangs geschaffen hat, wirkt wie ein Auge, das bestimmte Szenen fokussiert. Das ist wie eine filmische Blende. In der Tat hat das Stück ja durchaus filmische Qualitäten, und das nicht durch Zufall: Schostakowitsch hat die frühen Jahre des neuen Mediums Film hautnah miterlebt, als musikalischer Begleiter am Klavier bei Filmaufführungen mitgestaltet. Aber auch Otto Pichlers Choreographien haben nicht selten den Nebeneffekt, dass sie den Blick des Betrachters lenken. Und dann gibt es ja auch zahlreiche Szenen mit Momenten der Stille, der Intimität. Fixpunkt bei all dem bleibt die Figur Kowaljows, um die sich letztlich alles dreht. Es ist wie ein zweistündiger, verrückter, wilder Albtraum Kowaljows, der in seiner Sprunghaftigkeit, in seiner A-Logik, seinem Un-Sinn im wahrsten Sinne des Wortes, eben die Logik und Sinnhaftigkeit eines Traumes besitzt.
Das Stück ist wie eine riesige Lokomotive, die mit hoher Geschwindigkeit fährt. Das ist schon in der Vorlage von Gogol so, und Schostakowitschs Musik feuert dieses hohe Tempo in seiner Rastlosigkeit und überbordenden Fülle an Einfällen noch weiter an. Möglicherweise wird es dem ein oder anderen Zuschauer zu viel auf einmal sein. Aber da kann ich nur auf diese beiden großartigen Künstler verweisen, die hier einfach mit nichts gespart haben und – im Falle des 22-jährigen Schostakowitsch – alles zeigen wollten, was sie drauf hatten. Es ist ein wahres Hochgefühl, wenn man derart in etwas hineingezogen wird. Das Sich-Verlieren in den Massenszenen ist also absolut Teil der Intention des Werkes – auch und gerade für das Publikum!
Es ist ein reines Vergnügen, diese unerhörte Partitur des blutjungen Schostakowitsch zu entdecken. Harmoniesprache und Orchestrierung empfinde ich auch 90 Jahre nach der Entstehung des Werkes noch als höchst außergewöhnlich. Und obendrauf setzt Schostakowitsch solche Extravaganzen wie zum Beispiel die Verwendung einer Balalaika oder einer singenden Säge. Kein Wunder, dass das Publikum der Uraufführung im Jahre 1930 höchst irritiert war und das Stück lange um die ihm zustehende Anerkennung ringen musste. Und dann diese unglaubliche Ausdruckspalette auch im Orchester – da schreit, singt, stöhnt, furzt und rülpst es aus dem Graben. Die Hörlandschaft des Stückes ist wahrhaft beeindruckend, das trägt mindestens ebenso viel zu Klang und Gefühl von Stadt bei wie die visuelle Umsetzung.
Inwieweit sind die unterschiedlichen Rollen des Stücks psychologisch ausformulierte Charaktere?
Barrie Kosky: Bis auf Kowaljow eigentlich gar nicht. Es ist Kowaljows Welt, und es passiert in seinem Kopf und in seinen (Alb-)Träumen. Es liegt nicht in Gogols Interesse, irgendeine Art von emotionalem Kontext für die anderen Charaktere zu liefern. Das Publikum soll sich mit diesem einen Mann identifizieren und von ihm fasziniert und abgestoßen, erschreckt und bewegt werden. Viele der anderen Rollen erscheinen vielleicht nur für 30 Sekunden. Dennoch oder gerade deshalb müssen sie sehr klar gezeichnet sein, so dass das Publikum den jeweiligen Charakter erfasst, sobald er erscheint und seinen Mund aufmacht. Ähnlich wie Lewis Carol in Alice im Wunderland oder Kafka in Das Schloss interessiert sich auch Gogol nicht sonderlich für das Innenleben oder die Entwicklung der Wesen, die die von ihnen geschaffenen Welten bevölkern.
Barrie Kosky: Das Private bleibt im Kleinen, Beschränkten, Begrenzten. Ein Tisch reicht aus, um die enge, kleine Welt dieser Menschen in ihrer Begrenztheit zu zeigen. Auf dem Tisch ein Bett, ein Stuhl – und schon hat man das Gefühl, sich in einem Zimmer zu befinden. Und doch ist drum herum der große Raum der Stadt. Er ist allgegenwärtig, auch wenn er in den intimen Szenen im Dunkeln bleibt. Aber man weiß nie, wer da im Dunkeln ist und die scheinbare Privatheit belauert und belauscht. Albtraumhaft! wie in Alice im Wunderland wächst die kleine, scheinbar vertraute Welt immer wieder ins abnormal Große. An anderen Stellen bricht das Leben der Stadt von außerhalb in das Private herein, ohne sich vorher anzukündigen. Immer wieder scheint die Stadt die kleinen, privaten Räume zu verschlingen.
Wie findet sich das Publikum in dieser Oper mit ihren häufigen Szenenwechseln und großen Massenszenen zurecht?
Barrie Kosky: Die auf- und zufahrbare kreisförmige Linse, die Klaus Grünberg anstelle eines Vorhangs geschaffen hat, wirkt wie ein Auge, das bestimmte Szenen fokussiert. Das ist wie eine filmische Blende. In der Tat hat das Stück ja durchaus filmische Qualitäten, und das nicht durch Zufall: Schostakowitsch hat die frühen Jahre des neuen Mediums Film hautnah miterlebt, als musikalischer Begleiter am Klavier bei Filmaufführungen mitgestaltet. Aber auch Otto Pichlers Choreographien haben nicht selten den Nebeneffekt, dass sie den Blick des Betrachters lenken. Und dann gibt es ja auch zahlreiche Szenen mit Momenten der Stille, der Intimität. Fixpunkt bei all dem bleibt die Figur Kowaljows, um die sich letztlich alles dreht. Es ist wie ein zweistündiger, verrückter, wilder Albtraum Kowaljows, der in seiner Sprunghaftigkeit, in seiner A-Logik, seinem Un-Sinn im wahrsten Sinne des Wortes, eben die Logik und Sinnhaftigkeit eines Traumes besitzt.
Das Stück ist wie eine riesige Lokomotive, die mit hoher Geschwindigkeit fährt. Das ist schon in der Vorlage von Gogol so, und Schostakowitschs Musik feuert dieses hohe Tempo in seiner Rastlosigkeit und überbordenden Fülle an Einfällen noch weiter an. Möglicherweise wird es dem ein oder anderen Zuschauer zu viel auf einmal sein. Aber da kann ich nur auf diese beiden großartigen Künstler verweisen, die hier einfach mit nichts gespart haben und – im Falle des 22-jährigen Schostakowitsch – alles zeigen wollten, was sie drauf hatten. Es ist ein wahres Hochgefühl, wenn man derart in etwas hineingezogen wird. Das Sich-Verlieren in den Massenszenen ist also absolut Teil der Intention des Werkes – auch und gerade für das Publikum!
Es ist ein reines Vergnügen, diese unerhörte Partitur des blutjungen Schostakowitsch zu entdecken. Harmoniesprache und Orchestrierung empfinde ich auch 90 Jahre nach der Entstehung des Werkes noch als höchst außergewöhnlich. Und obendrauf setzt Schostakowitsch solche Extravaganzen wie zum Beispiel die Verwendung einer Balalaika oder einer singenden Säge. Kein Wunder, dass das Publikum der Uraufführung im Jahre 1930 höchst irritiert war und das Stück lange um die ihm zustehende Anerkennung ringen musste. Und dann diese unglaubliche Ausdruckspalette auch im Orchester – da schreit, singt, stöhnt, furzt und rülpst es aus dem Graben. Die Hörlandschaft des Stückes ist wahrhaft beeindruckend, das trägt mindestens ebenso viel zu Klang und Gefühl von Stadt bei wie die visuelle Umsetzung.
Inwieweit sind die unterschiedlichen Rollen des Stücks psychologisch ausformulierte Charaktere?
Barrie Kosky: Bis auf Kowaljow eigentlich gar nicht. Es ist Kowaljows Welt, und es passiert in seinem Kopf und in seinen (Alb-)Träumen. Es liegt nicht in Gogols Interesse, irgendeine Art von emotionalem Kontext für die anderen Charaktere zu liefern. Das Publikum soll sich mit diesem einen Mann identifizieren und von ihm fasziniert und abgestoßen, erschreckt und bewegt werden. Viele der anderen Rollen erscheinen vielleicht nur für 30 Sekunden. Dennoch oder gerade deshalb müssen sie sehr klar gezeichnet sein, so dass das Publikum den jeweiligen Charakter erfasst, sobald er erscheint und seinen Mund aufmacht. Ähnlich wie Lewis Carol in Alice im Wunderland oder Kafka in Das Schloss interessiert sich auch Gogol nicht sonderlich für das Innenleben oder die Entwicklung der Wesen, die die von ihnen geschaffenen Welten bevölkern.

© Iko Freese / drama-berlin.de
Und zwischenmenschliche Beziehungen? …
Barrie Kosky: … beschränken sich in diesem Stück darauf, dass Kowaljow seine Nase wiederbekommen will, und auf die Frustration darüber, dass sich niemand Sorgen über diesen Umstand zu machen scheint. Die Interaktion zwischen den einzelnen Personen ist nicht wie in einer Mozart-Oper oder wie bei Giuseppe Verdi oder Alban Berg. Man verfolgt knapp zwei Stunden lang einen Mann und was in seinem Kopf vorgeht.
Dabei suggerieren weder der Raum noch die Kostüme eine bestimmte Epoche …
Barrie Kosky: Nein, unsere Kostümbildnerin Buki Shiff hat Anleihen von überall her genommen. Es entsteht das Gefühl einer schäbigen, alten Welt, so als ob man ein sonderbares altes, aus der Zeit gefallenes Märchen sieht. Es ist keine historische Welt, sondern eine Traumwelt, die auf Träumen aus der Vergangenheit beruht. Es gibt Anklänge an die 1840er, 1880er, vereinzelt auch an die 1920er und 1930er Jahre, aber die Farben und Stoffe haben wiederum ihren eigenen Stil, der dem Ganzen eine besondere Merkwürdigkeit verleiht. Gerne wird in Produktionen von Schostakowitschs Nase auf die Epoche ihrer Entstehung angespielt, gerne lässt man dabei auch die Ästhetik des Konstruktivismus anklingen. Aber Gogol ist Surrealist – noch bevor es dieses Wort überhaupt gab –, und Schostakowitschs Partitur wiederum ist eine hochemotionale Musik, auch wenn sie zur Zeit des Konstruktivismus geschrieben wurde. Aus all diesen Reibungen entsteht eine ganz eigene Welt – eine schäbige russische Gogol-Schostakowitsch-Varieté-Dystopie mit einem kräftigen Schuss Barrie Kosky.
Barrie Kosky: … beschränken sich in diesem Stück darauf, dass Kowaljow seine Nase wiederbekommen will, und auf die Frustration darüber, dass sich niemand Sorgen über diesen Umstand zu machen scheint. Die Interaktion zwischen den einzelnen Personen ist nicht wie in einer Mozart-Oper oder wie bei Giuseppe Verdi oder Alban Berg. Man verfolgt knapp zwei Stunden lang einen Mann und was in seinem Kopf vorgeht.
Dabei suggerieren weder der Raum noch die Kostüme eine bestimmte Epoche …
Barrie Kosky: Nein, unsere Kostümbildnerin Buki Shiff hat Anleihen von überall her genommen. Es entsteht das Gefühl einer schäbigen, alten Welt, so als ob man ein sonderbares altes, aus der Zeit gefallenes Märchen sieht. Es ist keine historische Welt, sondern eine Traumwelt, die auf Träumen aus der Vergangenheit beruht. Es gibt Anklänge an die 1840er, 1880er, vereinzelt auch an die 1920er und 1930er Jahre, aber die Farben und Stoffe haben wiederum ihren eigenen Stil, der dem Ganzen eine besondere Merkwürdigkeit verleiht. Gerne wird in Produktionen von Schostakowitschs Nase auf die Epoche ihrer Entstehung angespielt, gerne lässt man dabei auch die Ästhetik des Konstruktivismus anklingen. Aber Gogol ist Surrealist – noch bevor es dieses Wort überhaupt gab –, und Schostakowitschs Partitur wiederum ist eine hochemotionale Musik, auch wenn sie zur Zeit des Konstruktivismus geschrieben wurde. Aus all diesen Reibungen entsteht eine ganz eigene Welt – eine schäbige russische Gogol-Schostakowitsch-Varieté-Dystopie mit einem kräftigen Schuss Barrie Kosky.
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15. März 2025
Nase weg! So ein Schreck!
Ein Gesicht ohne Nase – ein Schock! Denn eine Nase steht für Würde, Macht und Scharfsinn. Und wurde deshalb oft geopfert, verspottet oder geformt. Im Krieg schlug man sie Gefangenen ab. Chirurgen kämpften darum, sie zu rekonstruieren. Und Künstler:innen machten sie zum Symbol: Gogol ließ sie eigenständig durch St. Petersburg wandern. Und Schostakowitsch brachte sie tanzend auf die Opernbühne. Eine Nase ist mehr als ein Körperteil. Sie erzählt Geschichten – in Die Nase über Paranoia, Identität und die absurde Willkür gesellschaftlicher Strukturen. Eine Einführung in die Nasologie.
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