Orchestermusiker:nnen stehend im Probenraum, einige mit Instrumenten in der Hand

Brief des Orchesters der Komischen Oper Berlin an den Berliner Senat

Sehr geehrter Regierender Bürgermeister Herr Wegner,
sehr geehrter Kultursenator Herr Chialo,
sehr geehrte Abgeordnete!


Wir, der Orchestervorstand und Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin, schreiben Ihnen in großer Sorge um unsere künstlerische Heimat, das Opernhaus in der Behrenstraße nahe des Brandenburger Tores.

Nachdem das Haus zuletzt in den 1960er Jahren saniert wurde und der dringende Sanierungsbedarf seit den 1990er Jahren bekannt war, ist es nun endlich so weit: nach 10 Jahren Planung hat der Umbau begonnen, es gibt kein Zurück.

Die aktuellen Sparpläne des Berliner Senats treffen uns daher wie ein Schlag: für das kommende Jahr werden die Gelder für den Fortgang der Bauarbeiten nicht bewilligt, auch für das Jahr darauf sind sie in Gefahr. „Einen Baustopp wird es nicht geben.“,` sicherte Kultursenator Chialo noch vor wenigen Wochen bei einer Premiere dem gesamten Haus zu, nun soll der Baustopp vorläufig zwei Jahre dauern.

10 Mio. Euro möchte man so im nächsten Jahr einsparen. Eine absurde Entscheidung, wenn man weiß, dass sich die Gesamtkosten dadurch exorbitant erhöhen. Jedes Jahr Verzögerung bedeutet allein durch den Baukostenindex eine Steigerung der Gesamtkosten um 40 Mio. Euro, zwei Jahre Baustopp führen zu einer Verzögerung der Fertigstellung um wenigstens vier Jahre. Da nicht absehbar ist, dass sich die wirtschaftliche Lage in den nächsten Jahren wesentlich verbessert, erfüllt uns diese folgenschwere Entscheidung des Berliner Senats mit Entsetzen.

Die Komische Oper Berlin ist in Gefahr, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren. Sie ist geschichtlich untrennbar verknüpft mit ihrem Stammhaus in der Behrenstraße, die Verortung ist elementar.

Unsere Interimsspielstätte, das Schillertheater in der City West, ist ein guter Ausweichspielort für die begrenzte Zeit des Umbaus, doch für einen dauerhaften Spielbetrieb nicht geeignet. Als Gründe genannt seien hier nur die fehlenden Lagerkapazitäten im Schillertheater und der immense logistische Aufwand für jede einzelne Vorstellung. Dadurch sind deutlich weniger Vorstellungen in der Saison möglich. Weniger Sitzplätze bedeuten weniger Kartenverkäufe, die trockene Akustik eines Sprechtheaters ist nicht für jedes Repertoire geeignet. All dies führt zu Einschränkungen im Betrieb und in der Wirtschaftlichkeit.

Unser fehlendes eigenes Haus gefährdet die Komische Oper in ihrer Existenz, ihr Erhalt ist unumkehrbar gekoppelt an den Umbau!

Seit 130 Jahren hat das Haus in der Behrenstraße die schwersten politischen und wirtschaftlichen Stürme überlebt. Dieses Juwel war die wichtigste Operettenbühne ganz Deutschlands in der Weimarer Republik. Unter Barrie Kosky wurden und werden viele Werke dieser Zeit zu neuem Leben erweckt und die verlorengegangene jüdische Kultur Berlins der Zeit vor 1933 an ihren Heimatort zurückgebracht.

Die jetzige Berliner Landesregierung setzt sich angeblich für den Schutz der jüdischen Kultur in Berlin ein, ignoriert aber den großen Anteil jüdischer Kunst und Künstler an Geschichte und Gegenwart der Komischen Oper Berlin.

Soll so das politische Vermächtnis aussehen, mit dem sich die jetzige Berliner Landesregierung in der Geschichte Berlins verewigen möchte? Die Entscheidungen dafür getroffen zu haben, ein erfolgreiches und international angesehenes Opernhaus mit langer Tradition und Geschichte nachhaltig zu zerstören und wertvolles Tafelsilber unserer Stadt zu vernichten? Und ganz nebenbei im Herzen Berlins, in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tors, eine Bauruine zu hinterlassen, in der aus Denkmalschutzgründen am Ende ja doch nur Oper gespielt werden kann? (Wie wäre es mit der Komischen Oper?)

Daraus kann der Stadt Berlin in jedem Fall nur großer und nachhaltiger Schaden entstehen.

Die Komische Oper hat seit jeher mit ihrem künstlerischen Profil einen festen und durch nichts zu ersetzenden Platz in der vielfältigen Kulturlandschaft Berlins.

Seit der Auflösung des Metropol-Theaters in Berlin gibt es nur noch ein Haus in Berlin, in dem auch Operette und Musical in weltweit gefeierter und höchster Qualität geboten werden. Und das ist die Komische Oper! Sie ist dabei auch in der Berliner Opernstiftung unverzichtbar, da sowohl Staatsoper als auch Deutsche Oper hauptsächlich das klassische und moderne Opernrepertoire aufführen.

Unser Haus war in den letzten Jahren vorbildlich in alternativer Programmgestaltung und der Schärfung eines ganz besonderen programmatischen Profils, welches jedes Jahr neben Berlinern tausende kulturbegeisterte Touristen aus aller Welt nach Berlin bringt. Viele Menschen kommen speziell für Vorstellungen unseres Hauses nach Berlin und leisten damit auch einen wichtigen Beitrag für die Berliner Wirtschaft. Unser Spielplan ist breit gefächert: Er umfasst alle Genres von Barock bis Musical, von Kinderoper bis zu großen Klassikern, darüber hinaus inklusive und interkulturelle Kiez-Integration (,Selam Opera!‘), Kinder-, Familien- und Jugendarbeit (‚Jung - Für Alle‘. in türkischer & ukrainischer Sprache), kreative Schaffung alternativer Spielräume – bei gleichzeitiger Steigerung unserer Auslastung mit breitem Publikum – vom Kleinkind bis Rentner, vom Geringverdiener bis zu gehobenen Einkünften, von Familien bis Queer, aus allen Gesellschaftsschichten und Nationen – unser offenes und vielfältiges Haus ist einzigartig unter den Opernhäusern. Viele Menschen gehen hier zum ersten Mal in ihrem Leben in die Oper. Unser Haus ist eine besondere Schnittstelle, die im Sinne aller Opernhäuser ein neues Publikum an die Kultur heranführt. Dies alles wurde geschafft bis zu Höchstauslastungszahlen innerhalb Berlins mit teils für uns seit vielen Jahren strengen Sparvorgaben. Für all diese Bemühungen werden wir nun besonders hart abgestraft – die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind in ihrer Dimension massiv. Das öffentliche Versprechen für unseren Umbau stand. Die aktuellen Vorgänge sind eklatant vertrauensschädigend. Ihnen und uns Allen ist klar: diese Einschnitte würden schleichend und unaufhaltsam das Ende der Komischen Oper bedeuten und das wäre nie wieder rückgängig zu machen.

Gerade eben wurde unser Haus zum zweiten Mal nach 2015 mit dem `International Opera Award` ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde die Komische Oper 2007 und 2013 von der Fachzeitschrift Opernwelt zum `Opernhaus des Jahres` gekürt.

Die Komische Oper gehört zur DNA Berlins und besitzt für unsere Stadt internationale Strahlkraft. Kultur ist das, was Berlin in der Welt einzigartig macht.

Nun soll dieser wertvolle Besitz zur Disposition gestellt werden? Für kurzfristige Sparpläne, die eine langfristig wichtige, mit der Stadt Berlin untrennbar verbundene historische Kulturstätte vernichten.

Die Schäden, die ein solch kurzsichtiges Handeln anrichten würde, hätten so gravierende Folgen, dass dies unter keinen Umständen hinnehmbar ist. Die Stadt Berlin ist der Verlierer in dieser Rechnung.

In Kultur muss investiert werden! Aber jeder Euro für den Wirtschaftsfaktor Kultur bringt der Stadt durch den Hebelfaktor (laut unseres Kultursenators) das Fünffache und mehr zurück.

In Anlehnung an die Worte von Frau Mallwitz, GMD des Konzerthausorchesters: Wir werden die vielen Krisen in der Welt nicht bezwingen, wenn wir nicht diese kulturellen Orte erhalten und über dunkle Zeiten tragen. Die Zeit, in welcher wir Kultur als Gesellschaft bitter nötig haben, ist genau jetzt! Wir besitzen damit einen wertvollen Schatz hier in Deutschland – insbesondere in Berlin und insbesondere mit der Komischen Oper –, welcher erhalten werden muss! Die Komische Oper, 1947 unter Walter Felsenstein aus den Trümmern des Krieges und der Zerstörung in harter Arbeit wieder auferstanden, ausdrücklich als „Oper für Alle“ – für dieses Vermächtnis tragen Sie als Entscheidungsträger eine Verantwortung!

Wie Sie wissen, muss der Sparetat der Berliner Regierungskoalition noch vom Berliner Abgeordnetenhaus bestätigt werden. Wir wenden uns daher mit der großen Bitte an Sie: lassen Sie nicht zu, dass der Umbau des Stammhauses der Komischen Oper gestoppt wird. Damit die Komische Oper auch in Zukunft der Stadt Berlin, allen Berlinerinnen und Berlinern und den Kulturbegeisterten auf der ganzen Welt erhalten bleibt.

Mit großem Dank und herzlichen Grüßen,

Generalmusikdirektor

James Gaffigan

Orchestervorstand Komische Oper Berlin

Yuta Nishiyama
Tatjana Schütz
Andrea Haubold
Melinda Watzel
Lorenz Jansky

Das Orchester der Komischen Oper Berlin im Konzert erleben

Januar 2025
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
Fr
24.
Jan
11:00
Jung für alle

Takt auf, Takt ab!

Kinderkonzert 3
Schillertheater – Großer Saal
Februar 2025
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
Sa
1.
Feb
11:00
Jung für alle

Takt auf, Takt ab!

Kinderkonzert 3
Schillertheater – Großer Saal
https://www.komische-oper-berlin.de/ Komische Oper Berlin Bismarckstraße 110, 10625 Berlin
Fr
7.
Feb
21:00
Schall&Rausch

Yiddish Cabaret!

Kammerkonzert 4
SchwuZ Queer Club
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