© Monika Rittershaus
Drama, Baby!
Warum das musikalische Drama kurz vor der Uraufführung noch einmal so viel länger wurde und wie aus einem anfänglichen Misserfolg eines der bedeutentsten Werke Händels wurde. Dies und noch viel mehr erfahren Sie in diesem kurzen Überblick.
Vielschreiber Händel
Georg Friedrich Händel (1685–1759) ist einer der wichtigsten Komponisten des Barock. Insgesamt schuf er mehr als 42 Opern und 25 Oratorien sowie zahlreiche Kantaten und Kirchenmusiken.
Oratorien als finanzieller Kompromiss
Händels Herz schlug für die Oper. Nachdem er als Opernunternehmer in London jedoch wiederholt finanziell gescheitert war, wandte er sich ab 1741 vermehrt der Komposition von kostengünstigeren Oratorien zu. Hercules steht zeitlich etwa in der Mitte von Händels Oratorienschaffen.
Das Libretto
Der Librettist des Hercules, Thomas Broughton (1704–1774), war Chorherr und Gelegenheitsschriftsteller sowie ein brennender Verehrer der Händelschen Musik – mit einer Vorliebe für die Dramen William Shakespeares und John Drydens. Die Figuren des Oratoriums zeichnen sich durch ihre am elisabethanischen Theater geschulte psychologische Tiefe und Komplexität der Charakterzeichnung aus. Als Vorlage für Hercules diente Broughton das neunte Buch der Metamorphosen des Ovid und Sophokles’ Tragödie Die Trachinierinnen. Darin wird der Tod des Herakles (griech.) behandelt, der in der römischen Mythologie Hercules genannt wird.
Hercules
Musikalisches Drama in drei Akten [1745]
Georg Friedrich Händel
Libretto von Thomas Broughton
Georg Friedrich Händel
Libretto von Thomas Broughton
Um wen geht es eigentlich?
Anders als es der Titel vermuten lässt, steht im Zentrum der Handlung nicht der griechische Held, sondern seine Frau Dejanira, die ihren Mann aus grundloser Eifersucht, wenn auch ohne Vorsatz, tötet und daraufhin dem Wahnsinn verfällt. Bezeichnend für die Schlüsselrolle der unbegründeten Eifersucht als Hauptthema des Werks ist die zentrale Stellung des Chorus »Jealousy! Infernal pest« in der Mitte des Stücks. Dejanira tötet Hercules allerdings nicht absichtlich, sondern wird »schuldlos schuldig« und so zu einer tragischen Heldin ganz im Sinne der aristotelischen Dramentheorie.
Strahlende Nebenfiguren
Die Rolle der kriegsgefangenen Prinzessin Iole wird als zweite große Frauenrolle neben Dejanira aufgebaut. Iole unterscheidet sich in diesem Punkt von der antiken Vorlage, in der sie nur als Randfigur fungiert. Durch die Erhöhung der Iole tritt auch die Figur des in sie verliebten Hyllus, Sohn des Hercules und der Dejanira, prägnanter hervor. Händel komponierte für die Nebenfigur des Boten Lichas sechs Arien plus Rezitative und wertete auch sie so deutlich auf. Der Grund: Er hatte die Rolle der kurzfristig zur Verfügung stehenden Star-Sängerin Susanna Maria Cibber auf den Leib geschrieben. Bei der Premiere aber war Cibber krank. In der Folge wurde die Rolle häufig gestrichen.
Barrie Kosky folgt in seiner Lesart Händels Aufwertung des Lichas, der in seiner Inszenierung kein mit einer weiblichen Sängerin besetzter Bote, sondern als Hercules Halbschwester Teil der Familie ist.
Barrie Kosky folgt in seiner Lesart Händels Aufwertung des Lichas, der in seiner Inszenierung kein mit einer weiblichen Sängerin besetzter Bote, sondern als Hercules Halbschwester Teil der Familie ist.
© Monika Rittershaus
Ergreifender Misserfolg
Die Uraufführung von Hercules am 5. Januar 1745 im King’s Theatre in London war ein ausgesprochener Misserfolg. In der Folge wurde Hercules zu Lebzeiten Händels nur noch zweimal aufgeführt. Ein möglicher Grund für den Misserfolg: Das Publikum wusste nicht, »wozu es gebeten ist«, denn Hercules vereint in sich neben Charakteristika des Oratoriums auch typische Merkmale der Oper seria und der English Opera. Händel selbst bezeichnete Hercules als »Musical Drama«. Die erste szenische Aufführung fand am 4. März 1925 in der Regie von Hanns Niedecken-Gebhard in Münster statt. Wenn auch nur selten zu erleben, gilt Hercules heute als »eines der historisch bedeutendsten, dramatisch ergreifendsten und musikalisch wundervollsten Werke aus Georg Friedrich Händels Feder.« (Silke Leopold)
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